Evolution statt Revolution?

„Good Banks statt Bad Banks“

Gunnar Heinsohn über Ursachen und den Verlauf der Krise

Die Zentralbanken senkten den Zins, um der Wirtschaft unter die Arme zu greifen. Die Geschäftsbanken sollten das günstig erworbene Geld weiter an Firmen leihen. Diesen fehlte es jedoch an Sicherheiten. Darum investierten die Geschäftsbanken in Finanzanleihen, die einen Profit abzuwerfen versprachen, wie z.B. Hypotheken. Die Preise schnellten hoch und liessen die Blase platzen. Viele der Finanzanleihen erwiesen sich als giftig. Die Zentralbanken wurden so ungewollt zu Firmenzerstörern. In Folge verschuldete sich der Staat, indem er Billionen in die unheilbar kranken „Bad Banks“ stopfte, anstatt neue „Good Banks“ aufzubauen, die nicht in giftige Anleihen investiert hatten und so den Zulauf von hoch qualifizierten Mitarbeitern und neuen Kunden hätten.

Diesen grundlegend anderen Blick auf die aktuelle Lage vertritt Gunnar Heinsohn, emeritierter Professor für Soziologie und Ökonomie der Universität Bremen. Er sprach am Malik Management Zentrum St. Gallen über seinen Blick auf die Krise.

Was sind die Gründe für die Krise?

Gunnar Heinsohn: Altruismus – und nicht etwa Gier. Und zwar der Altruismus der Zentralbanken Japans und Amerikas, die nach den Crashs von 1989 und 2000 Firmen und Arbeitskräfte mit Geld versorgen wollten, indem sie den Zins nahe Null setzten. Da aber in diesen Crashs das Kollateral (das als Sicherheit geltende Eigentum) der Firmen im Preis stürzte, waren sie nicht mehr verpfändungsfähig. Die Geschäftsbanken aber haben das billige Geld gerne genommen und eben nicht in steigende Effektivität und Produktion durch Weiterverleihen an Firmen, sondern in steigende Preise investiert bzw. in alles, was erst einmal höher rentierte als der Nullzins. Sämtliche Anlageklassen von Finanztiteln über Rohstoffe bis hin zu 20 Millionen unbesicherten US-Wohnimmobilien blähten dabei ihre Preise so lange, bis ihre Erträge selbst nahe Null landeten. Dadurch platzte die Blase, wobei nicht nur das Eigenkapital der Banken ausgelöscht wurde, sondern auch die Firmen durch Fallen ihrer Preise noch weniger verschuldungsfähig wurden. So wandelten sich liebevoll-naive „Zentralbank-Firmenretter“ zu monströsen Firmenzerstörern.

Die Blase war unvermeidlich, weil der Nullzinsschuldenberg der Banken niemals mit dem Leistungskomplex aus Firmen und Arbeitskräften in Kontakt kam. Nun ersetzten Regierungen die unbezahlten Bankschulden durch einen Gegenschuldenberg, den irgendwann die Bevölkerung abtragen soll. Ein ebenso gefährliches Geschäft, weil es auch für diese Schulden keinen echten Gegenwert, also keine wirkliche Leistung gibt.

Was müsste getan werden?

Heinsohn: Noch wird das System nicht verstanden. Geld ist kein Gut und der Zins nicht sein Preis, bei dessen Senkung es zur Markträumung aller anderen Güter käme. Geld ist eine Forderung gegen das Eigentum seiner Schaffer (Zentralbanken) und Weiterverleiher (Geschäftsbanken), die für dieses Unfreimachen ihres Eigentums Zins fordern müssen.
Weil man das System nicht versteht, kann man sich nach dem Hyperirrtum der Zinsnullung nicht einmal die kleineren Übel herauspicken, die ja alle dafür sorgen müssen, dass Geld an Firmen und Arbeitskräfte gelangt. Mit Billionen Staatsschulden werden unheilbare Banken gestützt, statt sie krachen zu lassen und mit diesen Mitteln sowie einer allgemeinen Einlagensicherung „good banks“ aufzubauen, die frei von „toxic assets“ sind. Ihnen würden die Kunden und auch das beste Personal aus den gescheiterten Banken umgehend zuströmen.

Wer kann nun etwas ändern. Wer hat die Macht dazu?

Heinsohn: Die Politik beispielsweise – ich spreche für Deutschland – kann, wie jedes Ölscheichtum, Aktien der besten Firmen ankaufen, so deren Preise steigern und damit ihre Verpfändungs- bzw. Verschuldungsfähigkeit wieder herstellen. Geld gelangt ohne Verpfändung auch dann direkt zu Firmen, wenn ein einheimischer Staatsfond Anleihen der Firmen kauft. Der entscheidende Reiz auch von staatlichen Investitionsprogrammen und selbst von Autoabwrackprämien liegt darin, dass umgehend ein Cashflow zu Firmen – und damit auch zu ihren Arbeitskräften – hergestellt wird, die momentan nicht verschuldungsfähig sind.

Was wird in nächster Zeit passieren?

Heinsohn: Damit der Schuldenberg der Banken an echte Leistung gekoppelt würde, müssten alle 40 Millionen erwerbstätigen Deutschen auch noch nachts arbeiten und so diese Schulden abzahlen. Da der Nullzins weiter läuft, kommt es zur nächsten Blase bei den Staatspapieren. Die heiße Luft, die man aus den Bankpositionen nicht ablassen wollte, wird also aus den Staatstiteln entweichen müssen, weil sie im Preis steigen und doch niemals mit Leistung unterlegt werden.

Wo sind wir in drei Jahren?

Heinsohn: In drei Jahren haben wir vielleicht nochmals einen Crash. Weil das ungebrochen maßlos aus den Zentralbanken herausgereichte Geld auch weiterhin nicht an Leistung geknüpft wird. Und vielleicht wird er noch heftiger als der Gegenwärtige. Wenn wir dann aber endlich das Richtige tun, sind die Firmen zwar nur noch die Hälfte wert, aber sie stünden ohne Schulden da und könnten von vorne beginnen.

Hinweis: Der zentrale Punkt in Heinsohns Ansatz sind die Sicherheiten der Firmen für die Kreditvergabe der Bank. Sind diese sehr schlecht, gibt es kaum eine Bank, die ihnen Kredit verleiht. Das Geld wird so als eine Forderung gegen das Eigentum seiner Schaffer (Zentralbanken) und Weiterverleiher (Geschäftsbanken) verstanden. Es gilt die Sicherheiten der Firmen wieder zu stärken. Dafür müssten diese z.B. über unbesicherte staatliche Kredite oder durch staatliche Investitionsprogramme gestärkt werden, damit sie Investitionen in ihre Innovation tätigen könnten.

Quelle: http://www.malik-mzsg.ch/corporate/htm/1761/de/Malik_Management_Mail_-_Ausgabe_42_-_02.04.2009.htm/?

Die „besten“ Firmen zu unterstützen, heißt nicht ausschließlich / unbedingt, Aktiengesellschaften unter die Arme zu greifen. Was ist mit Top-Familien-Unternehmen oder Top-Eigentümergeführten-Unternehmen? Unternehmen bezüglich ihrer langfristigen Überlebensfähigkeit zu bewerten, ist eine wesentliche Herausforderung. Hier genügt es nicht, auf die Eigenkapitalquote und die Rendite zu blicken. Das Management zu analysieren, dessen Selbstverständnis und Haltung in Bezug auf Ziele und Zweck des Unternehmens zu erfahren, ist genauso wichtig. Hierzu können alle Banken beitragen. „Basel II“ legt formal Wert auf eine umfassende Bewertung. Nun gibt es einen Grund mehr, die Bewertungsaufgabe sehr ernst zu nehmen. Durch Ergänzung von Instrumenten, z. B. qualitativer Interviews mit dem Management, kann dies praktisch erfolgen. Sie helfen dem Firmenkundenbetreuer in seiner Bewertung, es ist keine „aus dem Bauch heraus“. Zudem wird er aussagefähig hin zum Kunden, eine Kommunikation wird möglich, die einer Firmenkundenberatung zuträglich ist. Je mehr dies von Banken durchgeführt wird, würde sich herauskristallisieren, was „Good Management“ und „Bad Management“ ist. (TB)

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